Daran scheiden sich die Geister

Klar, wir hatten schon länger auch zu Hause Probleme, aber der Elternabend war dann doch ein Schock. Alexander, unser 9-jähriger Sohn, sollte doch vielleicht in eine „besondere Schulform“ wechseln. Laut, unaufmerksam und störrisch gibt er sich im Unterricht. Wir sind ratlos – und das aus vielen Gründen.

Warum unser Sohn?

Als Alexander geboren wurde, gab es keine Probleme – nicht vorher und nicht nachher. Er war ein ganz normales Kind, so wie andere auch. Das etwas nicht stimmt, dachte ich zum ersten Mal, als er in den Kindergarten kam. Schon damals empfahl mir meine Schwägerin einen Kinderpsychologen aufzusuchen, um geeignete Medikamente zu erhalten. Unser Kinderarzt befand jedoch, dass alles „im grünen Bereich“ sei. Möglich, aber irgendwie haben sich die Symptome alle paar Monate verschlimmert. Warum hat unser Sohn überhaupt ein Problem? Bin ich schuld? Mir erscheint das alles surreal.

Verschwörungstheorien um ein neues Krankheitsbild

Im Friseursalon meinte eine Kundin, dass diese „neumodischen“ Erkrankungen auf eine gezielte Kontamination unserer Trinkwassers zurückzuführen seien. Eine andere sagte, es gäbe „Beweise“ für den Einfluss der Kinderimpfungen auf das Nervensystem. Ich weiss nicht, was nun der Auslöser ist und bezweifle auch, dass die Ursachenforschung unserem Kind helfen kann. Wegen der so bezeichneten Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben wir uns jedenfalls entschlossen, es zunächst mit einer Verhaltenstherapie zu versuchen. Die Lehrerin ist einverstanden und wird uns unterstützen. Zu Hause wollen wir auch einiges ändern. Alexanders Kinderzimmer wird nun erwachsen und – so hoffen wir – er wird es auch ein wenig. Neue Möbel und etwas Kreativität an den Wänden sowie eine farbenfrohe Fenstergestaltung, mit Fotodruck auf Faltstores zum Beispiel, lenken nicht nur ein wenig ab, sondern schaffen hoffentlich auch etwas Ausgleich in der gejagten Kinderseele. Nachdem sich Alexander bereits für ein Foto-Thema entschieden hat – etwas mit Tieren soll es sein – werden wir am Wochenende schon zum Möbelkauf aufbrechen können. Etwas Familiensinn tut uns allen gut. Schon merkwürdig, dass wir es nie so wirklich vermisst haben, dass wir viel zu wenig gemeinsame Unternehmungen einplanen. Morgen setzen wir uns zusammen und werden das Fensterbild online aussuchen – eine praktische Lösung, die ganz variable am Fenster verschoben werden kann.